geboren 11. Mai 1901 in Czernowitz/Bukowina, gestorben 3. Januar 1988 in Düsseldorf, östr.-rumän.-amer.-dt. Dichterin, zum 100. Geburtstag am 11. Mai 2001.
In der Bukowina kam Rose Ausländer, geb. Rosalie
Beatrice Ruth Scherzer, zur Welt. Der Vater Sigmund stammte aus der streng
orthodoxen, von Chassidismus und Mystik des Ostjudentums geprägten
Stadt Sadagora, bekannte sich aber zum Freidenkertum und wurde Prokurist
in einer Import-Export Firma in der Hauptstadt Czernowitz, wo er seine
spätere Frau Etie Rifke Binder kennenlernte. Rose wuchs in einem weltoffenem,
liberal-jüdi-schen, auch kaisertreuen Elternhaus auf, in dem jedoch
die wichtigsten Regeln der jüdischen Tradition bewahrt wurden. Zudem
gab es in dieser "ehemals östlichsten Provinz deutsch-österreichischer
Kultur" (Kurt Rein) eine
fast 200jährige deutsche Sprach- und Literaturtradition. Ruth stu-dierte
1919/1920 Literatur-wissenschaft und Philoso-phie an der Universität
Czernowitz und wanderte 1921 mit ihrem Studien-freund Ignaz Ausländer
in die USA aus. Das Paar heiratete 1923 und trennte sich Ende 1926. 1930
kam die Scheidung. Rose Ausländer erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft,
die ihr jedoch 1934 wegen dreijähriger Abwesenheit aus den USA wieder
aberkannt wurde. In Amerika publizierte sie ihre ersten Gedichte und arbeitete
u.a. als Redakteurin, Sekretärin und Bankangestellte. 1931 nach Czernowitz
zurückgekehrt, um die erkrankte Mutter zu pflegen, war sie in ihrer
Heimatstadt als Lyrikerin, Journalistin, Übersetzerin und Englischlehrerin
tätig. Ihr erster Gedichtband Der Regenbogen erschien 1939 in Czernowitz.
1941 bis 1944 hielten die Nazis die Stadt besetzt. Rose Ausländer
gelang es, im Ghetto zu überleben. Sie mußte Zwangsarbeit leisten
und versteckte sich zeitweise in einem Keller. Die Lyrikerin übersiedelte
1946 nach New York, wo sie Gedichte in deutscher und englischer Sprache
veröffentlichte. Das erste Buch nach dem Krieg, Blinder Sommer, erschien
1965 in Wien. Rose Ausländer übersiedelte 1965 in die Bundesrepublik,
reiste viel und lebte von 1970 bis 1988 im Nelly-Sachs-Haus, dem Altenheim
der jüdischen Gemeinde in Düssel-dorf. Die letzten zehn Jahre
ihres Lebens war sie bettlägerig. Sie veröffentlichte mehr als
zwanzig Gedichtbände, u.a. Hügel aus Äther unwiderruflich,
Im Aschen-regen die Spur deines Namens, Mutterland/Einverständnis;
aus dem Nachlaß wurde Jeder Tropfen ein Tag zusammengestellt.
Rose Ausländer erhielt gegen Ende ihres Lebens Preise und Auszeichnungen. Die Rose-Ausländer-Gesellschaft und das Rose-Ausländer-Dokumentationszentrum in Uxheim/Eifel fördern die neuere Forschung. Seit Mitte der 80er Jahre wurden einige ihrer Gedichte von Willy Giefer, Brunhilde Sonntag, Elizabeth Alexander und Marius Flothuis für Frauenstimme(n) und Klavier gesetzt.
Barbara Hyams
Über die Abendbucht
wächst schon der Mond
wie eine reife Frucht,
lockend und blond.
Seidene Sommerluft
flattert ans Ohr.
Unserer Liebe Duft
atmet empor.
Schlafen die Felder schon?
Sind wir allein?
Rausch rinnt aus Mond und Mohn - -
sieh: ich bin dein!
Hier steht kein fremdes Lauschen,
hier loht kein lauter Blick.
Wir schaun uns an und rauschen
in unser Glück zurück.
Aus unserm Körper schälen
wir den verklärten Kern.
An unsre nackten Seelen
lehnt mütterlich ein Stern.
(Rose Ausländer)
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